Reform der EU-Verordnungen stärkt Schutz für geografische Angaben in Lebensmitteln und Getränken

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29.04.2024

Neue EU-Verordnung stärkt Schutz für geografische Angaben in Lebensmitteln und Getränken

Reform der EU-Verordnungen über den Schutz geografischer Angaben für Agrarprodukte, Weine und Spirituosen

Am 23. April 2024 wurde die neue Verordnung (EU) 2024/1143 vom 11. April 2024 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse veröffentlicht. Die Verordnung tritt am 13. Mai 2024 mit unmittelbarer Rechtswirkung in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten in Kraft und ersetzt bzw. ändert die Regelungen aus den bislang geltenden Verordnungen (EU) 1151/2012 (Grund-VO), 1308/2013 (Wein-VO), 2019/787 (Spirituosen-VO) und 2019/1753.

Diese Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Schutz geografischer Angaben (g.g.A., g.U. und g.t.S.) ist Bestandteil sowohl der im Jahr 2020 von der Europäischen Kommission ausgerufenen Kampagne „Vom Hof auf den Tisch – eine Strategie für ein faires gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ als auch des EU-Aktionsplans für geistiges Eigentum zur Stärkung des Schutzes und der Durchsetzung von Immaterialgüterrechten (EU Action Plan for IP).

Bereits im Herbst 2023 wurde im Rahmen dieses Strategiekonzepts die Verordnung über den Schutz geografischer Angaben für Handwerks- und Industrieprodukte verabschiedet, die am 16. November 2023 in Kraft getreten ist (VO (EU) 2023/2411).

 Die neue VO (EU) 2024/1143 fasst zunächst die im Wesentlichen bewährten Regelungen aus den bislang für verschiedene Bereiche separat geltenden Verordnungen über geografische Angaben im Lebensmittel- und Getränkebereich in einem nunmehr einheitlichen Gesetzestext zusammen. Die Grund-Verordnung (EU) 1151/2012 wurde vollständig aufgehoben.

Darüber hinaus enthält die Verordnung neue Instrumente, um gegen eine unrechtmäßige Verwendung von geografischen Angaben auch im Online-Bereich besser vorgehen zu können, insbesondere eine Stärkung im Bereich von Domain-Namen-Streitigkeiten.

Aufgrund der Praxiserfahrungen und Rechtsprechung der letzten Jahre wurde darüber hinaus der Schutz für die Verwendung geografischer Angaben bei Zutaten gestärkt, wenn diese im Bereich von Lebensmitteln und Getränken lediglich als Bestandteil eines Gesamtprodukts verwendet werden („Champagner-Sorbet“-Rechtsprechung). Die geschützte geografische Angabe der Zutat darf nur dann im Namen, auf der Etikettierung oder in der Werbung für das Gesamtprodukt erscheinen, wenn die Zutat in ausreichender Menge enthalten ist, um dem Gesamterzeugnis ein wesentliches Merkmal zu verleihen, und wenn in dem Produkt kein anderes vergleichbares Erzeugnis enthalten ist. Der prozentuale Anteil der Zutat, auf welche sich die geografische Angabe bezieht, muss auf dem Etikett angegeben werden.

Diese inhaltlichen Regelungen werden ergänzt durch Vereinfachungen im Eintragungsverfahren sowie eine generelle Stärkung der Rolle von Erzeugervereinigungen bei der Administration und Durchsetzung der geschützten geografischen Angaben.

 Die Anmeldung und Registrierung von geschützten geografischen Angaben erfolgt weiterhin über die europäische Kommission (DG AGRI). Ergänzende und beratende Unterstützungsleistungen wurden im Rahmen der Reform dem EUIPO übertragen, unter anderem die Einrichtung und Verwaltung eines Informations- und Warnsystems für Domain-Namen sowie die Pflege und Aktualisierung des Registers der eingetragenen geografischen Angaben.

Die vom europäischen Gesetzgeber mit der Reform beabsichtigte Stärkung der Rechtsposition der Erzeuger wird einerseits zu einer weiteren Aufwertung des Systems der geschützten geografischen Angaben führen (g.g.A. – geschützte geografische Angabe, g.U. – geschützte Ursprungsbezeichnung, g.t.S. – garantiert traditionelle Spezialität), zum anderen für mehr Rechtsklarheit sorgen, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Produkten mit geschützten geografischen Angaben als Zutat für ein anderes Produkt. Dies dürfte den Spielraum für die werbliche Verwendung der geschützten geografischen Angaben weiter verengen und die Lebensmittel- und Getränkehersteller vor kreative Herausforderungen stellen.